Lohnarbeit muss sich wieder lohnen
In der Corona-Krise sind die Reichen reicher geworden – und wir Lohnabhängigen? Tja. Es wird Zeit für kräftigere Gegenwehr.
1,7 Prozent. So viel mehr Lohn und Gehalt haben die deutschen Gewerkschaften im Durchschnitt in der Tarifrunde 2021 erkämpft. Zugleich stiegen aber die Verbraucherpreise 2021, vor allem wegen der Energiepreiskrise, um 3,1 Prozent. Das heißt: Die Kaufkraft der Beschäftigten ist real gesunken, und zwar so schnell wie mindestens seit den Agenda-Jahren von Kanzler Schröder nicht mehr.
„Keinerlei Grundlage für das Schreckgespenst einer Lohn-Preis-Spirale“, so versucht das gewerkschaftliche Institut WSI noch Trost zu spenden. Die Inflationsgefahr sei also gar nicht so groß wie von der bürgerlichen Presse beschrieben. Denn die Konzerne könnten ja nicht auf Dauer höhere Preise verlangen, wenn die Masse der Bevölkerung nicht das Geld hat, diese auch zu bezahlen. Damit das auch so bleibt, fordern jetzt sogar gewerkschaftsnahe Forscher wie der „Wirtschaftsweise“ Achim Truger, dass die Löhne auch 2022 höchstens um 3 Prozent steigen.
Und dann hört die Inflation auf? Ein schwacher Trost. Im Moment ist es doch so: Die Preisspirale dreht sich auch ohne dass die Löhne mitkommen. Viele müssen überlegen, ob sie tanken oder heizen oder doch lieber essen wollen. Und die Konzerne können höhere Preise durchsetzen, nicht nur um ihre eigenen Einkaufskosten für Energie und Rohstoffe weiterzureichen, sondern darüber hinaus für höhere Profite.
Das ist bisher das Ergebnis der Corona-Krise: Die Kapitalisten häufen noch mehr Kapital an, zu Lasten der Lohnabhängigen. Von wegen, vor dem Virus sind alle gleich, wie uns zu Beginn der Pandemie noch oft rührselig eingeredet wurde. Die Ampelkoalition tut wie erwartet nichts, um die Krisengewinner zur Kasse zu bitten. Das können wir nur selbst tun, indem wir für höhere Löhne kämpfen.
Früher gab es mal die Formel für Tarifforderungen der Gewerkschaften: Inflation plus Produktivitätswachstum plus Umverteilung. Die Löhne sollten also mindestens so stark steigen wie die Preise, damit keine Kaufkraft verloren geht; darüber hinaus noch so stark, damit die Beschäftigten den Lohn dafür erhalten, dass der von ihnen pro Arbeitsstunde erzeugte Mehrwert regelmäßig steigt. Und wenn das erfüllt ist, kommt noch die Umverteilung hinzu, ein Ausgleich gegen die Übermacht der Kapitalistenklasse.
Und jetzt sollen wir uns damit begnügen, noch nicht einmal die laufende Inflation auszugleichen? Dabei können wir nicht stehen bleiben. Es wird Zeit für kräftigere Gegenwehr, für kämpferische Gewerkschaften.