Hamburger Utsichten 2022-1 online “Für eine Mindestrente von 1.200 Euro”

Für eine Mindestrente von 1.200 Euro

Die Älteren können sich noch daran erinnern, dass es Zeiten gab, als so gut wie alle Menschen nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben von ihrer Rente so gut leben konnten wie zuvor, keinen Nebenjob brauchten oder gar Flaschen sammeln mussten.

Seit rund 30 Jahren haben CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne – in welcher Kombination auch immer – mit ihren Renten“reformen“ dafür gesorgt, dass das heute anders ist. Rentnerinnen und Rentner machen etwa ein Fünftel der Hamburger Bevölkerung aus. Viele von ihnen müssen dazuverdienen, wenn sie ihren Lebensstandard halten wollen. Rund ein Fünftel von ihnen bekommt eine Rente, die unter der Sozialhilfe liegt, darunter besonders viele Frauen.

Dabei haben die heutigen Rentnerinnen und Rentnern noch zum überwiegenden Teil in relativ sicheren Verhältnissen gearbeitet und verdient. Bei den künftigen Rentnerinnen und Rentner sieht das weit schlechter aus. Insbesondere die Regierung Schröder/Fischer aus SPD und Grünen hat mit der Schaffung des Niedriglohnsektors dafür gesorgt, das immer mehr Menschen nach Hungerlöhnen später Hungerrenten bekommen. Wer einen großen Teil seines Lebens als Leiharbeiter, Frist- oder Werkverträgler, Teilzeitbeschäftigter oder Soloselbständiger gearbeitet hat, für den kommt eine Rente heraus, von der man nicht leben und nicht sterben kann.

Viele Menschen in Deutschland können auch heute noch ihren Lebensabend ohne finanzielle Sorgen verbringen. Ziel muss es aber sein, dass dieses für alle Menschen gilt. Dafür müssen die Löhne gerade im unteren Bereich deutlich angehoben werden. Die geplante Erhöhung des Mindestlohns kann nur ein erster Schritt sein.

Die Rentengesetze müssen geändert und das frühere Rentenniveau wieder hergestellt werden. Weder die von der neuen Bundesregierung zugesagte Sicherung des gegenwärtigen Rentenniveaus noch die von der SPD vorgeschlagene sogenannten Grundrente reichen aus.

Aber selbst wenn höhere Löhne durchgesetzt und das alte Re tenniveau wieder hergestellt würde,

bräuchte das viele Jahre, bis es für die Rente wirkte. Deshalb brauchen wir sofort eine Mindestrente, die für ein würdiges Leben reicht. Kein Wort davon in dem Koalitionspapier der neuen Regierung.

Wir fordern eine Mindestrente von 1.200 Euro.

 

Flaschensammler bei der Arbeit 

Trittin-Rente

Zwei Projekte der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 haben die Zeit überdauert: das Pfand für Einwegflaschen und die Kürzung der gesetzlichen Altersbezüge. Der Begriff »Trittin-Rente« ist die traurige Synthese aus beidem. Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin hatte 2003, ein Jahr nach Inkrafttreten der Rentenreform, das Einwegpfand eingeführt.

aus: Jungle World 27.08.15