Hamburger Utsichten 2022-1 online “Der Kampf geht weiter: Gegen Repression und Berufsverbote”

Der Kampf geht weiter: Gegen Repression und Berufsverbote

 

Vor 50 Jahren, am 28. Januar 1972, beschlossen auf Vorschlag des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Willy Brandt (Motto: “Mehr Demokratie wagen”) die Ministerpräsidenten der Bundesländer der damaligen BRD den sogenannten “Radikalenerlass”. Danach wurden Bewerber für den öffentlichen Dienst auf ihre sogenannte „Verfassungsfeindlichkeit“ überprüft. Der Beschluss richtete sich fast ausschließlich gegen Linke und traf vor allem Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten, Freunde der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

Die Vorlage dazu hatte schon zwei Monate vorher der Hamburger Senat mit dem Sozialdemokraten Peter Schulz an der Spitze gegeben. Er hatte der Lehrerin Heike Gohl mitgeteilt, dass er sie statt der anstehenden Verbeamtung auf Lebenszeit entlassen wollte. Die Schülerinnen und Schüler ihrer Schule hatten sie zur Vertrauenslehrerin gewählt. Auch die fachlichen Leistungen waren von ihren Vorgesetzten positiv burteilt worden. Die beide Lehrerexamen hatte sie mit «gut» bestanden. Trotzdem wurde ihre Entlassung damit begründet, dass sie sich in ihrer Probezeit nicht bewährt habe – und zwar politisch: Gohl hatte sich in kommunistischen Organisationen engagiert.

Im weiteren Verlauf wurden in Hamburg über 200 Verfahren eingeleitet und 88 Personen nicht eingestellt oder entlassen. Die meisten von ihnen wollten Lehrerinnen oder Lehrer werden. Allerdings wurden auch Personen aus anderen Berufsgruppen abgelehnt. Dabei traf es überwiegend junge Menschen aus der 68er-Generation, die sich in kommunistischen Organisationen engagiert hatten. So sieht es also aus, wenn führende Sozialdemokraten “mehr Demokratie wagen”.

Bundesweit wurden 1,4 Millionen Personen überprüft. Etwa 1.100 davon wurde der Eintritt in den beziehungsweise das Verbleiben im öffentlichen Dienst verwehrt. Insgesamt wurden 11.000 Verfahren eingeleitet. Allein bei den Lehrern gab es 2.200 Disziplinarverfahren und 136 Entlassungen. An nicht wenigen Verfahren waren ehemalige Nazirichter beteiligt.

Ende der 1970er Jahren wurde nach massiven Protesten im In- und Ausland in den meisten Bundesländern diese flächendeckende Überprüfung eingestellt – so auch in Hamburg. Die psychischen und finanziellen Folgen für die Betroffenen blieben. Der Radikalenerlass hatte seine Funktion erfüllt. Jeder – und das galt gerade für junge Menschen – musste sich überlegen: Wer sich für eine nicht-kapitalistischen, sozialistische Gesellschaftsordnung einsetzte, musste mit lebenslangen finanziellen Einbußen oder gar mit Existenzverlust rechnen.

Aber der Knüppel ist nur im Sack. Er ist nicht weg. Und damit das auch jeder weiß, wird er gelegentlich – insbesondere im Süden Deutschlands – auch mal wieder herausgeholt. Eine “Renaissance” erlebten die Berufsverbote in den 1990er Jahren, als es galt, diejenigen aus Beruf und gesellschaftlichem Leben herauszudrängen, die sich in der DDR für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft engangiert hatten.

Der Staatsapparat baut vor, weil er weiß, dass die Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft zunehmen, und damit für ihn auch die Gefahr besteht, dass Bewegungen stärker werden, die seine objektive Rolle als Garant der Interessen des deutschen Monopolkapitals erkennen. Die Instrumente werden geschärft, um dies repressiv zu verhindern.

Dem muss entgegengetreten werden. Die Verteidigung der demokratischen Grundrechte ist heute, mehr denn je, von entscheidender Bedeutung. Das ist ein Auftrag, der sich aus 50 Jahren Kampf gegen die Berufsverbote ergibt.

Darum fordert die DKP:

Rehabilitierung und Entschädigung aller Opfer der Berufsverbote

Rehabilitierung und Entschädigung aller Opfer der Annexion der DDR

Sofortige Beendigung der Praxis der Strafrenten

Auflösung aller Ämter des Verfassungsschutzes