Gedenken an Ernst Henning, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und Bürgervertreter in Bergedorf

Liebe Freundinnen und Freunde,

Antifaschistinnen und Antifaschisten,

Genossinnen und Genossen,

wir gedenken heute des Genossen Ernst Henning, der vor 90 Jahren, in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1931 von drei SA-Männern feige ermordet wurde. Ernst Henning war ein aufrechter Proletarier. Er arbeitete als Former in einer Eisengießerei. Dort vertrat er seine Kolleginnen und Kollegen als Betriebsratsvorsitzender immer bemüht, das Gemeinsame vor die unterschiedlichen Ansichten zu stellen und zu gemeinsamen Aktionen zu kommen. In der Politik vertrat er die arbeitenden Menschen und ihre Interessen,aber auch die vom Großkapital und den Grundbesitzern bedrängten Kleinbürger zunächst in der Bürgervertretung Bergedorf, später in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Immer nah an den aktuellen Problemen der Menschen, konnte er ihnen als Vorsitzender der KPD Bergedorf auch eine Perspektive aufzeigen. Und er war erfolgreich. Die Menschen sahen seine konkrete Arbeit und vertrauten ihm. Das zeigte sich auch bei den Wahlen. Die KPD gewann unter seiner Führung in Bergedorf immer mehr Stimmendazu -selbst in den Vier-und Marschlanden. In dieser eher konservativen Region gewann er insbesondere unter den Landarbeitern und unter den armen Pächtern immer mehr Anhänger. Das machte ihn bei den Faschisten besonders verhasst, die in diesen unter dem herrschenden System Leidenden ein Potential für ihre politische Scheinalternative sahen. Es war also kein Zufall, dass es gerade Ernst Henning war, der ihrem Terror zum Opfer fiel. Am 21. März 1931 versammelten sich anlässlich der Überführung seines Leichnams 35.000 Menschen um die Leichenhalle im Stadtteil Winterhude und geleiteten den Sarg in einer Demonstration zum Krematorium auf dem Friedhof Ohlsdorf. Hier hielt auch Ernst Thälmann eine Gedenkrede. Nach Hennings Einäscherung wurde seine Urne trotz Demonstrationsverbots von Tausenden zum Friedhof Bergedorf geleitet. Die Trauerrede hielt der Widerstandskämpfer Carl Boldt, der 1945 nach seiner Inhaftierung im KZ Neuengamme und der Lagerräumung auf der Cap Arcona starb.

An der Ermordung von Ernst Henning zeigtsich ganz konkret der Zusammenhang von Faschismus und Krieg. Ernst Thälmann warnte nach diesem Mord und vor der Wahl zum Reichspräsidenten 1932: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Mit dem von Deutschland entfachten II. Weltkrieg kam unermessliches Leid in die Welt. 55 MillionenMenschen starben.

An dieser Stelle möchte ich deshalb auch an die 652 sowjetischen Kriegsgefangenenerinnern, die im Zeitraum von Oktober 1941 bis Mai 1942 im KZ Neuengamme gestorben sind und nicht weit von hier auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhefanden. Erinnert sei auch an die immer noch nicht erfüllte Forderung, diesen Ortumzubenennen in „Sowjetischen Ehrenfriedhof“. Wir fordern insbesondere die Bezirksversammlung Bergedorf und die Hamburger Bürgerschaft auf, ihrer Verantwortung für die Toten und das Gedenken gerecht zu werden, indem sie die Aufrechterhaltung und Pflege des Gedenkortes für die Zukunft sichern.

Liebe Anwesenden, wir gedenken heute nicht nur der Opferdes Faschismus und desaufrechten Sozialisten und Antifaschisten Ernst Henning.

Wir erinnern uns auch seiner Mahnung zusammenzustehen angesichts der neuen Bedrohung durch faschistische Kräfte. Wieder ziehen dieseMordbanden durchs Land.Gerade haben wir des Attentats von Hanau gedacht. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke, der Anschlag auf die Synagoge in Halle und die Mordserie des NSU sind unvergessen. In Bundeswehr und Polizei, also bewaffneten Einheiten, werden zunehmend neofaschistische Gruppen aufgedeckt. Sie legen Todeslisten an, horten Waffen und Munition und hoffen auf eine Destabilisierung dieser Gesellschaft, um mit denen „abrechnen“ zu können, die sie zu ihren Feinden erklärt haben. In der AfD gewinnen faschistische Kräfte immer mehr an Einfluss.

Terror und Bedrohung sind also schon wieder gegenwärtig. Auch Bergedorf hat diese lange Tradition. Seit den 1980er Jahren war Bergedorf eines der Zentren neofaschistischer Umtriebe. Deren Anführer Wulff und Worch wohnten hier.

In jüngerer Zeit war es der Bergedorfer Arzt und AfD-Abgeordnete Dr. Flocken, der Kontakte zu den gewaltbereiten sogenannten Freien Kameradschaften knüpfte. Auf dem Gelände seines Abgeordnetenbüros fandenregelmäßig Treffen von Rechtsextremisten statt. Gegen diese neofaschistischen Umtriebehat sich in Bergedorf aber auch immer Widerstand entwickelt, getragen von Antifa-Gruppen, in denen sich viele junge Menschen engagieren. Bemerkenswert auch das „Rathausbündnis gegen rechts“, in dem zahlreiche Vereine, Verbände und alle Bezirksfraktionen außer der AfD zusammenarbeiten. Alljährlich im November findet die „Woche des Gedenkens“ statt.

Auch hierbei arbeiten zahlreiche antifaschistische, demokratische und humanistische Organisationen und Parteien zusammen. Auf der Tafel des Denkmals zur Erinnerung an die Zwangsarbeit während der Naziherrschaft in Bergedorf-errichtet mit breiter Unterstützung in ganz Hamburg -heißt es: „… damit nie wieder geschieht,was damals geschah.“ Grotesk mutet es bei so viel antifaschistischem Engagement an, wenn gegenüber diesem Denkmal, auf der anderen Seite des Schleusengrabens, der Neubau des Kultur-und Veranstaltungshaus nach einem ehemaligen NSDAP-Mitglied „Körberhaus“ benannt werden soll. Kurt A. Körber war technischer Direktor eines Dresdner Großbetriebs, der auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigte.

Zwar hat die Bezirksversammlung Bergedorf beschlossen, NS-belastete Straßennamen umzubenennen. Das hat aber das Bezirksamt und die Koalition in der Bezirksversammlung aus SPD, FDP und Grünen nicht gehindert, dieses wichtige öffentliche Gebäude nach einem alten Nazi zu benennen. Aber das soll hier ausdrücklich hervorgehoben werden, auch dagegen regt sich in Bergedorf Widerstand.

Dieser Widerstand ist wertvoll und wird noch notwendiger werden angesichts der Rechtsentwicklung in Deutschland. Die Parallelen zur Situation Anfang der 1930er Jahre sind unübersehbar. Aber anders als vor 90 Jahren setzen noch keine relevanten Teile des Großkapitals auf die Faschisten. Die ihnen verbundenen bürgerlichen Parteien bauen allerdings demokratische Rechte Schritt für Schritt ab. Denken wiran die sogenannten „Notstandsgesetze“, die zwar seit mehr als 50 Jahren in der Schublade liegen, aber jederzeit herausgeholt werden können. Denken wiraber vor allem an die Polizeigesetze, die jetzt überall verschärft werden, die bürgerkriegsähnlichen Polizeieinsätze wie etwa beim G20-Gipfel in Hamburg. Oder – auch das gehört dazu – dass man den Widerstand gegen die Rechtsentwicklung finanziell auszutrocknen sucht, indem – wie jetzt geschehen -dem Lesen von Marx und Engels in der Marxistischen Abendschule und dem antifaschistischen Kampf in der VVN steuerlich die Gemeinnützigkeit entzogen wird.

Das Feld wird bestellt. Was passiert, wenn sich die „Großwetterlage“ ändert? Die Mordbandender neuen Faschisten entwickeln sich, bereiten sich vor und werden von staatlicher Seite befördert und geschützt. Antifaschistischer Widerstand tut Not! Er kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Erfahrungendes antifaschistischen Kampfes der letzten Jahrzehnte aufgenommen werden.

Dazu gehört entscheidend die Mahnung von Ernst Henning: „Ihr Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Parteilose: Kämpft ihr gemeinsam, gewinnt Ihr das Leben und die Freiheit! Findet Ihr Euch nicht zu gemeinsamen Aktionen, werdet Ihr weder KPD noch SPD noch Gewerkschaften haben.

Dann werdet Ihr nicht über den Faschismus, sondern der Faschismus über Euch triumphieren. “Lassen wires dazu NICHT kommen! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!