Flugblatt: Das beste Mittel gegen Inflation
Das beste Mittel gegen Inflation: mehr Lohn!
Es wird wieder ruppig im Land. Vom „heftigsten Streik seit mehr als 40 Jahren“ sprach der NDR, als Mitte Juli die Beschäftigten im Hafen in einen 48-stündigen Warnstreik traten. Eigentlich ein normales Druckmittel in einem Arbeitskampf. Dass die Polizei mit Pfefferspray gegen die Arbeitenden vorging, dass eine Gewerkschaftsdemo in Hamburg mit zehn Verletzten endete (unter dem Vorwand eines Böllerwurfs), das war allerdings wirklich heftig.
Offenbar liegen die Nerven blank. Die Engpässe in den Lieferketten halten sowieso schon die ganze kapitalistische Verwertungskette auf, und dann stellen sich auch noch Menschen quer, ohne die sich der Containerstau nicht auflösen lässt.
Für die Herrschenden in diesem Land höchst beunruhigend: Wird da etwa jemand aufmüpfig? Lässt sich nicht mehr mit Jobangst und Standortgedusel stillhalten? Dabei hatten die Hafenbetriebe schon eine Lohnerhöhung um 12,5 Prozent angeboten.
Aus Sicht mancher anderer, die nicht so ein Druckmittel wie die Kollegen im Hafen haben – sagen wir, der Pflegekräfte, die hart für einen zumutbaren Personalschlüssel kämpfen müssen, ohne auch nur einen Cent mehr Lohn zu fordern: Da kann man schon mal neidisch werden. Oder vielleicht eher: dankbar. Noch besser: solidarisch und kämpferisch. Denn wir alle brauchen jetzt solche Beispiele wie das im Hafen. Oder die bevorstehende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie, wo die Industriegewerkschaft Metall immerhin schon mal mit einer Tarifforderung von 8 Prozent den Aufschlag macht.
Je mehr Lohnplus in kampfstarken Branchen durchgesetzt wird, umso leichter wird es dann auch anderen fallen, eine Besserung ihrer Lage durchzusetzen. Es muss normal werden, dass Löhne und Gehälter kräftig steigen. Auch die Rentnerinnen und Rentner haben etwas davon, die für ihre eigene Kaufkraft gar nicht streiken können, aber deren Einkommen sich an der allgemeinen Lohnentwicklung orientieren.
Alles, was derzeit auf dem Tisch liegt – auch die scheinbar großzügigen 12,5 Prozent der Hafenbetriebe, die aber für zwei Jahre reichen sollen – ist zu wenig, um die hohe Inflation auszugleichen. Die Preise steigen schneller als die Löhne. Wenn wir nicht an Kaufkraft verlieren und ärmer werden sollen, sind wir darauf angewiesen, das umzudrehen.
Früher hatten die Gewerkschaften mal eine Tarifformel: Die Inflation plus das Wachstum der Produktivität plus noch etwas Umverteilung, so hoch muss ein Lohnabschluss sein. Wenn nur die Inflation ausgeglichen wird, bleiben die Lohneinkommen real gleich: Man kann sich genauso viel kaufen wie zuvor. Kommt noch die gestiegene Produktivität hinzu, haben die Beschäftigten einen gleichbleibenden Anteil an ihrer eigenen Leistung, die Profite der Kapitalisten werden immer noch nicht angetastet. Erst wenn wir darüber hinaus gehen, nehmen wir ihnen wirklich etwas weg.
Dass da auch heute einiges zu holen wäre, zeigen die immer noch üppigen Gewinne der Unternehmen. Natürlich, die hohe Inflation trifft die Unternehmen auch. Aber sie können die gestiegenen Kosten mit gestiegenen Preisen weiterreichen. Wir mit unseren Lohneinkommen können das nicht.
Kanzler Scholz hat nun Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften zu einer „konzertierten Aktion“ eingeladen, die nichts anderes ist als ein Stillhalteabkommen. Wir sollen uns mit Einmalzahlungen als Trostpflaster begnügen und auf dauerhafte Lohnsteigerungen verzichten. Die Idee, dass man auch die Kapitalisten mit Preiskontrollen oder Gewinnsteuern in die Schranken weisen könnte, scheint dem Sozialdemokraten fern zu liegen.
Wenn dann noch durch den Russland-Boykott die Gaspreise durch die Decke gehen, müssen wir alle sehen, wo wir bleiben. Es sei denn, wir wehren uns nach Art der Hafenarbeitenden.