Esther Bejarano ist am 10. Juni 2021 gestorben.
Sie war uns Ansporn zu handeln, sie wird es bleiben
„Ich bin Jüdin und gehöre zu den Verfolgten des Naziregimes.
Vier entsetzlich lange Jahre war ich in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau und Ravensbrück inhaftiert. Meine Eltern und eine Schwester wurden von den Nazis ermordet. Was ich in der Zeit der nazistischen Gewaltherrschaft erlitten habe, verpflichtet mich, dafür zukämpfen, dass sich gleiche oder ähnliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht wiederholen.“ (Esther Bejarano auf der Hauptversammlung der Dresdner Bank1987)
In ihrer Rede wies sie auf die Verantwortung der Dresdner Bank für die Arisierung und den Holocaust zwischen 1933 und 1945 hin. Hier kritisiert sie auch die Vergabe von Krediten an das südafrikanische Apartheid-Regime in den 80er Jahren.*1
Esther Bejarano war nicht nur Zeitzeugin des Holocaust in Auschwitz und Ravensbrück, der Verbrechen des deutschen Faschismus, sie war engagierteAntifaschistin und setzte sich vielfältig ein.
Auf ihrer Geburtstagsfeier 2017 konnte sie als Gast den 19 jährigen Italiener Fabio V. begrüßen, der gerade aus derUntersuchungshaft entlassen worden war. Ihm und allen anderen von der Polizei angeklagten Gegnern des G20 Gipfels am Rondenbark galt Esthers Solidarität. Die Begegnung des jungen Mannes mit der Antifaschistin war bewegend. Sie selbst erinnerte sich, wie sie von der Polizei daran gehindert worden war, eine Rede zu halten. Die Antifaschisten, die gegen den NPD Aufmarsch anlässlich der Wehrmachtsausstellung 1997 demonstrierten, kesselte die Hamburger Polizei unter persönlicher Führung von Innenstaatsrat Nockemann (heute AfD Landevorsitzender in Hamburg) die Demonstration ein, setzte Wasserwerfer ein, behinderte Esther Bejarano.
1970 schon baute die NPD in der Hamburger Osterstraße direkt vor dem kleinen Geschäft der Bejaranos einen Infostand auf. Das empörte die Auschwitz-Überlebendso sehr, dass sie aus ihrem Laden herausstürzte und laut protestierte. Den Polizisten, der den NPD Stand „schützte“, fuhr sie an, wie er es zulassen könne, dass die Nazis wieder unbehelligt in Deutschland ihre Propaganda betrieben.
Ein NPD-Mann forderte die Polizei auf, sie festzunehmen, weil in Auschwitz nur Verbrecher gewesen seien.
Von nun an engagierte sie sich für das Auschwitz-Komitee, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und trat in die kurz zuvor gegründete Deutsche Kommunistische Partei ein. In diesen Organisationen fand sie Kameradinnen, Genossinnen, die selbst während des Faschismus verfolgt waren, die sich in der Bundesrepublik gegen alte und neue Nazis engagierten, gegen das Vergessen. Scharfe Kritik übte sie an den Kriegen der USA in Vietnam, Afghanistan und dem Irak. Sie verurteilte die Gefangenlager der westlichen Führungsmacht und die dort praktizierte Folter. Gerade aus ihren Erfahrungen in Deutschland hatte sie die moralische Autorität dies zu tun.
Esther Bejarano war ein kämpferische Musikerin.
Ihre Stimme ertönte 50 Jahre überall im Inland und im Ausland. Sie war in Israel ausgebildet worden, von einem palästinensischen Musikprofessor , der in den späten 50er Jahren in Israel ein Berufsverbot erhielt.
Wenn sie die Bühne betrat, fielen all die beängstigenden Erinnerungen von ihr ab. Manchmal sang sie bei Ihren Schulbesuchen mit den Jugendlichen, zum Beispiel das Lied, „Wir leben ewig“ , auch das Solidaritätslied „.Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber einigt euch und ihr seid frei“ …“ Wessen Morgen ist der Morgen? – Wessen Welt ist die Welt?“ , weil er Palästinenser war.
Sie sang und tanzte mit den amerikanischen Soldaten, als sie erfuhr, dass Deutschland besiegt worden sei. Sie sang und tanzte mit den amerikanischen Soldaten,als sie erfuhr, dass Deutschland besiegt worden sei. Sie sang mit der Rapper-GruppeMicrophone Mafia, die sich nach den Morden der NSU in Köln zusammenfand. „Ich spiele mit einem muslimischen Türken, mit einem katholischen Italiener und meinem (jüdischen) Sohn in einer Band. Die “Microphone Mafia” (lacht). Ja, so heißen wir. Unsere Texte setzen sich mit Antisemitismus und Rechtsextremismus auseinander. Neben meinen regelmäßigen Besuchen in den Schulen ist das auch ein Weg, meine Geschichte vor allem auch den jungen Leuten zu erzählen – über die Musik, die mich mein Leben lang begleitet hat.“ sagt sie am 8. Mai 2020 in der Tageschau, und fordert gleichzeitig, der 8. Mai solle Feiertag werden. Und sie sang nicht zuletzt auf UZ-Pressefesten, zusammen mit Microphone Mafia und Konstantin Wecker.
Mit Deutschland wollte sie nach der Befreiung nichts mehr zu tun haben, sie wanderte aus nach Israel, verließ den Staat aber 1960 mit ihrem Mann Nissim und den beiden Kindern wieder. Die USA, ihr eigentliches Ziel, ließen den Kommunisten Nissim Bejarano nicht ins Land. Den Faschismus in allen Ländern zu jeder Zeit zu bekämpfen, die Bestrafung der Täter und die Forderung: Nie wieder Krieg und für Abrüstung und Völkerverständigung standen für Esther Bejarano im Zentrum. Selbst Jüdin kritisiertesie die zionistische Regierung des Staates Israel.
Sie verurteilte die fortgesetzte Landnahme des Staates Israel nach Vertreibung der Palästinenser und setzte sich für ein friedliches, gleichberechtigtes Nebeneinander in Israel ein. Als Zeitzeugin besuchte sie zahlreiche Schulklassen, sie überzeugte die Jugendlichen durch ihre Persönlichkeit, ihre Lebenserfahrung und ihre Ehrlichkeit. Auf die Frage eines Schülers der 12. Klasse an der Stadtteilschule Volksdorf, ob sie alle Deutschen für Täter halte, ob sie als Jugendliche schuldig seien, antwortete sie: Niemand sei schuldig, der zur Zeit der Tat noch gar nicht lebte, aber jemand, der sich heute nicht mit den Verbrechen der Nazis auseinandersetzt, mache sich schuldig.
Esther war immer an vorderster Front dabei, im Kleinen und im Großen, in der Tagesschau und in ihrem Stadtteil. Auf dem Hamburger Rathausmarkt und auf der Demonstration gegen einen Naziaufmarsch in Hamburg Wandsbek sprach sie vortausenden Hamburgern.
In ihrem Stadtteil Hamburg Groß-Borstel ging sie gegen die rechtsnationale Gruppe „Freiheit“ mit ihren Mitbürgern auf die Straße. Nun ist diese Stimme verstummt.
Unsere Esther ist im Alter von 96 Jahren verstorben.
Wir vermissen sie, werden uns in ihrem Sinne weiter gegen Faschismus, Rassismus, Diskriminierung, für ein friedliches Miteinander engagieren.
In diesem Sinne: Wir leben ewig.
Genossinnen und Genossen der DKP Hamburg
*1 Deutsche Volkszeitung / die tat, 19.6.1987